Allgemeine Informationen zur Gattung

Crataegus L. - Weißdorn

Taxonomie und Evolution

Crataegus ist eine in den gemäßigten Zonen der nördlichen Hemisphäre verbreitete Gattung. Artenzahlen sind schwer anzugeben (250–1250 nach Lippert 1995), da in Nordamerika Apomixis bei Crataegus weit verbreitet ist (u.a. Muniyamma & Phipps 1979) und je nach taxonomischer Sichtweise wenige variable oder sehr viele morphologisch einheitliche Sippen unterschieden werden. In Europa werden wenige, morphologisch sehr variable Sippen und deren Hybride unterschieden. Es ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass auch in Europa Apomixis bei Crataegus verbreitet ist und sich, ähnlich wie in Nordamerika, viele morphologisch einheitliche, apomiktische Taxa unterscheiden ließen. Die taxonomische Einteilung der mitteleuropäischen Crataegus-Arten erscheint noch nicht abschließend geklärt, und die momentan, zum Beispiel von J. Zázvorka in Kubát (2002) oder P. Schmidt (2011) verwendete Gliederung ist schematisch.

Es ist dringend notwendig, die Fortpflanzungsmechanismen in Crataegus zu klären, insbesondere, ob überhaupt Apomixis bei dieser Gattung in Europa eine Rolle spielt. Ebenso ist die Bedeutung von Polyploidie für die Sippenbildung noch ungenügend untersucht. Eine befriedigende taxonomische Gliederung der Gattung kann erst nach Abschluss derartiger Untersuchungen erreicht werden. Introgressive Hybridisierung, das heißt das Vorkommen lückenloser morphologischer Reihen zwischen einzelnen Arten, und auch Hybridisierungen zwischen mehreren Arten scheinen nicht selten zu sein (z. B. Loos 1994), wodurch prinzipiell die Ansprache einzelner Arten vielfach nicht möglich ist.

Untersuchungen zu Apomixis in Crataegus sind in Europa bisher selten (Gosler 1989, 1990; Ptak 1986, 1989), doch deuten Tri- und Tetraploidie auf das Vorkommen von Apomixis. Die Chromosomengrundzahl ist n = 17; Pflanzen mit 2n = 34 sind diploid, solche mit 2n = 51 oder 2n = 68 sind entsprechend tri- bzw. tetraploid. Es bestehen Hinweise, dass sich triploide Pflanzen über apomiktische Samenbildung vermehren (Ptak 1989). Der Fortpflanzungsmechanismus der tetraploiden Pflanzen ist unklar. Chromosomenzahlen wurden bisher insbesondere in der Slowakei erfasst (siehe: Karyological database of the ferns and flowering plants of Slovakia).

Von Linné wurden alle heute in Mitteleuropa unterschiedenen Arten unter Crataegus oxyacantha zusammengefasst. Der Typusbeleg zu C. oxyacantha im Linné-Herbar gehört aber zu C. praemonticola (= C. rhipidophylla auct.) (Byatt 1974) und die Sippe wird nun als C. laevigata bezeichnet. Der Name wurde 1981 vom Internationalen Botanischen Kongress in Sydney für die Verwendung gesperrt (rejected). Im 19. Jahrhundert setzte sich eine Trennung von zwei Arten nach der Zahl der Griffel bzw. Samen durch. Erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde die Eigenständigkeit einer weiteren Sippe erkannt, die sich durch stark geteilte Blätter und schmale Kelchblätter auszeichnet. Für sie wurde die Name C. curvisepala, später C. rhipidophylla verwendet; wir verwenden C. praemonticola. Dieser Name wurde von Holub (1991) geschaffen, da für diese Sippe kein Name verfügbar ist.

Die heutige Gliederung beruht auf Christensen (1992), wobei teilweise die von ihm als Hybriden gedeuteten Sippen als hybridogene Arten angesehen werden (z.B. NetPhyd & BfN; Deutschlandflora). Die Zahl der in Mitteleuropa anerkannten Arten ist damit auf acht gestiegen. Die Crataegus-Taxonomie ist durch die vielfache Beschreibung infraspezifischer Sippen belastet, deren Zuordnung oft mit Schwierigkeiten verbunden ist. Teilweise wurde auch ein sehr enges Artkonzept verwendet, so beschrieb Gandoger (1872) 18 neue Arten aus Frankreich (Rhone-Tal).

Die Bestimmung von Crataegus in Herbarien und Florenwerken ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Ein Großteil der Pflanzen ist nach der hier verwendeten Gliederung „falsch“ bestimmt (siehe Loos 1994). Insbesondere die offenbar sehr häufige C. calycina wurde nur selten erkannt. Publizierte Verbreitungsangaben sollten stets sehr kritisch betrachtet werden. Manche Arten scheinen gebietsweise zu fehlen. So gelang es bisher nicht, einen Nachweis für das Vorkommen von C. praemonticola (= C. rhipidophylla auct.) in Hessen zu erhalten (siehe: T. Gregor, S. Hodvina & al.: Beiträge zur Pflanzenwelt in Hessen). Alle als C. rhipidophylla bestimmten Belege erwiesen sich als C. lindmanii. Sie waren zumeist als C. rhipidophylla s.l. (unter Einschluss von C. lindmanii) gemeint gewesen, ohne dass dies gekennzeichnet war.

Vorkommen

Typische Wuchsorte für Weißdorn sind Hecken, Waldränder und lichte Wälder. Die einzelnen Arten unterscheiden sich nach ihrem Lichtbedarf, Dieser ist am höchsten bei C. monogyna und am niedrigsten bei C. laevigata. Es wird vermutet, dass die große Menge an Hybriden in unserer Kulturlandschaft durch die Auflichtung der Wälder und das danach stärkere Zusammentreffen dieser beiden Arten erklärbar ist.

Beschreibung

Die in Deutschland vorkommenden Arten sind sich recht ähnlich. Es handelt sich um ansehnliche, einige Meter hoch werdende, mit bis zu 2,5 cm langen Dornen versehene, reich verzweigte Sträucher. Die gestielten, mit großen Nebenblättern versehenen Blätter stehen an Kurztrieben und haben einen ei- bis rautenförmigen Umriss und besitzen Nebenblätter. Sie sind je nach Art mehr oder weniger stark durch Einschnitte, die jedoch nie den Mittelnerv erreichen, geteilt. Dadurch bilden sich 3–5 Blattlappen, deren Ränder gesägt oder glatt sind. Form und Teilung der Blätter können an einem Strauch variabel sein. Die Blüten sind 0,7–1,5 cm breit und haben einen auffallend unangenehmen Geruch. Die Blütenachse wächst während der Fruchtreife zu einem fleischigen Gewebe aus und bildet so die charakteristische Apfelfrucht. Die Früchte haben eine kugelige bis längliche Gestalt von 0,7–1,2 cm Länge. Form und Stellung der Kelchblätter sind für die Artbestimmung wichtig. Die Zahl der Samen entspricht der der Griffel und beträgt meist 1 oder 2, es kommen jedoch auch höhere Anzahlen vor. Die Zahl der Griffel (Samen) ist oft an einem Strauch variabel. Die Früchte reifen im August und September und bleiben oft den Winter über am Strauch. Die morphologische Merkmalsausprägung ist besonders bei den Hybriden schwankend.

Sammel- und Bestimmungshinweise

Bei der Ansprache ist auf folgende Merkmale zu achten: Blattschnitt, Form und Stellung der Kelchblätter im Fruchtzustand sowie die Anzahl der Griffel oder Steinkerne. Eine sichere Bestimmung kann nur an Pflanzen mit reifen Früchten vollzogen werden, die die Stellung der Kelchblätter erkennen lassen. Blühende Pflanzen lassen sich nur zu Artengruppen zuordnen. Wegen der großen Variabilität der Blattform sollte ausreichend Herbarmaterial von verschiedenen, möglichst unterschiedlich exponierten Ästen eines Strauches gesammelt werden.

Systematische Übersicht

Die europäischen Arten gehören zur Sektion Crataegus und hier zur Serie Crataegus. Von Christensen (1992) werden C. rhipidophylla (legitimer Name C. praemonticola), C. monogyna sowie C. ×macrocarpa, C. ×media und C. ×kyrtostyla (legitimer Name C. subsphaerica) zur Nominatsubserie gerechnet, C. laevigata zur Subserie Erianthae (Pojark.) K. I. Chr.

Bemerkungen

Die Benennung von Pflanzen mit einem Griffel, schmalen, zurückgeschlagenen Kelchzipfeln und stark eingeschnittenen, gezähnten Blattlappen ist unklar. Die Namen Crataegus curvisepala (illegitim) und C. rhipidophylla (Synonym zu C. subsphaerica) sind nicht verwendbar, und der teilweise als regelgerecht angesehene Name C. rosiformis ist nicht zweifelsfrei (Holub 1991). Dieser Name könnte sich auch auf Hybriden zwischen C. rhipidophylla auct. und C. lindmanii beziehen (Loos 1994, Lippert 1995), die als C. ×dunensis angesprochen werden. Wir verwenden den relativ jungen Namen C. praemonticola Holub, der sich sicher auf diese Sippe bezieht. Andererseits scheint es geklärt zu sein, dass der Name C. laevigata subsp. palmstruchii ein Synonym zu C. laevigata subsp. laevigata ist (Christensen 1992, NetPhyd & BfN; Deutschlandflora, siehe auch Artblatt).

Danksagung

Bei der Prüfung der Belege wurden wir von Heinz Kalheber (Runkel) unterstützt. Die Bayerische Staatssammlung stellte Belege zur Verfügung.

Verwendete Literatur

Buttler, K. P. & Kalheber, H. 2012. Weißdorne (Crataegus) im Taunus – ein erster Überblick. Geobotanische Kolloquien 22: 25–31.

Byatt, J. I. 1974. Application of the name Crataegus calycina Peterm. and C. oxyacantha L. Botanical Journal of the Linnean Society 69: 15–21.

Christensen, K. I. 1992. Revision of Crataegus sect. Crataegus and nothosect. Crataeguineae (Rosaceae-Maloideae) in the Old World. Systematic Botany Monographs 35.

Gandoger, M. 1872 „1871“. Révision du genre Cratægus, pour les sections des C. oxyacantha L. et oxyacanthoides Thuill. Bulletin de la Sociéte Botanique de France 18: 442–452.

Gosler, A. G. 1989. Experimental evidence against the occurrence of agamospermy in the Britisch Crataegi. Watsonia 17: 440–441.

Gosler, A. G. 1990. Introgressive hybridization between Crataegus monogyna Jacq. and C. laevigata (Poiret) DC. in the Upper Thames valley, England. Watsonia 18: 49–62.

Holub, J. 1991. A New Species of Crataegus from Czechoslovakia. Preslia 63: 79.

Kubát, K. 2002 (Hrsg.). Klíč ke květeně Česke republiky. Academia. Praha.

Lippert, W. 1978. Zur Gliederung und Verbreitung der Gattung Crataegus in Bayern. Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der Heimischen Flora 49: 165–198.

Loos, G. H. 1994. Studien und Gedanken zur Taxonomie, Nomenklatur, Ökologie und Verbreitung der Arten und Hybriden aus der Gattung Weißdorn (Crataegus L., Rosaceae subfam. Maloideae) im mittleren Westfalen und angrenzenden Gebieten. Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde 56(2): 1–48.

Muniyamma, M. & Phipps, J. B. 1979. Cytological proof of apomixis in Crataegus (Rosaceae). American Journal of Botany 66: 149–155.

Ptak, K. 1986. Cyto-embryological investigations on the Polish representatives of the genus Crataegus L. I. Chromosome numbers; embryology of diploid and tetraploid species. Acta Biologica Cracoviensia Series Botanica 28: 107–122.

Ptak, K. 1989. Cyto-embryological investigations on the Polish representatives of the genus Crataegus L. II. Embryology of triploids species. Acta Biologica Cracoviensia. Series Botanica 31: 97–112.

Schmidt, P. 2011. Crataegus L. In: Jäger, E. J. (Hrsg.). Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg: 472-475.

Timmermann, G. & Müller, T. 1994. Wildrosen und Weißdorne Mitteleuropas. Landschaftsgerechte Sträucher und Bäume. Verlag des Schwäbischen Albvereins e.V. Stuttgart.

Links

Eggert: Weißdorne (Crataegus L.) – auch im Kreis Steinburg kein unlösbares Problem

Chromosomenzahlen zur Flora von Deutschland

Karyological database of the ferns and flowering plants of Slovakia

T. Gregor, S. Hodvina & al.: Beiträge zur Pflanzenwelt in Hessen

NetPhyd & BfN; Deutschlandflora

Zitiervorschlag

Gregor, T. 2015. Crataegus L. In: Dressler, S., Gregor, T., Hellwig, F. H., Korsch, H., Wesche, K., Wesenberg, J. & Ritz, C. M. Bestimmungskritische Taxa der deutschen Flora. Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/Main, Görlitz & Herbarium Haussknecht Jena. [online] http://webapp.senckenberg.de/bestikri

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